Kann man Krebszellen aushungern?
Als Hausarzt bin ich seit Jahren mit dem Thema Ernährung und Krebs konfrontiert und in den letzten Jahrzehnten kursierten immer wieder Ideen über spezielle Krebsdiäten, denen jedoch oft ein wissenschaftlicher Nachweis über die Wirksamkeit fehlte.
Jedoch die Idee, das Zucker als schneller Energielieferant insbesondere die "energiehungrigen" Krebszellen besonders wachsen lässt, erschien irgendwie logisch.
Doch was passiert, wenn man den gesamten Organismus von dieser Energiezufuhr abschneidet, also auch die Abwehr- und Immunzellen, die gesunden Zellen in der Nachbarschaft des Krebses und das Gehirn, das eine Menge Energie in Form von Glucose / Zucker benötigt?
Wie immer, sind die Zusammenhänge in unserem Organismus viel komplizierter, als wir ahnen, und die Lösungen für Probleme nicht auf eine Massnahme reduzierbar.
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Dieses Jahr hat jedoch eine Forschungsgruppe an der Washington University eine sehr interessante Untersuchung über die Auswirkung von Fruchtzucker (Fructose) auf Krebszellen durchgeführt.
Fructose ist ein besonderer Zucker, der insbesondere in Früchten vorkommt, jedoch von der Lebensmittelindustrie wegen der stärkeren Süsskraft in grossen Mengen Süssgetränken und fast allen verarbeiteten Lebensmitteln zugesetzt wird.
Es fällt in den letzten Jahren auf, dass immer jüngere Menschen an Krebs erkranken und der Einfluss der modernen Ernährung scheint hier eine Rolle zu spielen.
Lebensmittel und Getränke mit viel Fruchtzucker (Fructose) können nicht nur Übergewicht fördern, sondern auch das Wachstum von Krebszellen beschleunigen. Die Studie zeigte, dass Tumore bei fructosereicher Ernährung schneller wachsen. Dieser Einfluss war aber nicht auf die Fructose direkt zurückzuführen, sondern weil Fructose-Stoffwechselprodukte aus der Leber für die Krebszellmembranen genutzt werden.
Haben wir also grosse Mengen Fructose zu uns genommen, die oft in verarbeiteten Lebensmitteln als Süßungsmittel verwendet wird, wird diese in der Leber in Lipide (Fette) umgewandelt. Diese Lipide helfen Tumoren beim Wachstum, auch wenn Krebszellen Fructose nicht direkt verwerten können. Besonders ungesättigte Lipide sind für Tumore leicht nutzbar.
Die Erkenntnisse könnten zu neuen Krebstherapien führen, z. B. durch fructosearme Ernährung oder Medikamente, die den Fructoseabbau in der Leber blockieren.
Forschende raten daher Krebspatienten, Fructose möglichst zu meiden, bis weitere Studien Klarheit schaffen.
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Mein persönlicher Tipp:
Das bedeutet, insbesondere keine verarbeiteten Lebensmittel zu essen, insbesondere, wenn Fructose in der Zutatenliste steht. Und nicht immer ist sie deklariert!
Sicherheitshalber sollte man bei Krebs zusätzlich auch auf Obst verzichten.
Wie kommen wir dann an die Vitamine, werden sich einige fragen?
Ich rate zum Verzehr von vielen Gemüsen, insbesondere denen, den traditionell (noch nicht wissenschaftlich) ein günstiger Effekt auf Krebs zugesagt wird: Broccoli, Blattgemüse, Gemüse mit intensiver Farbe (Sekundäre Pflanzenfarbstoffe wie Carotin).
Traditionelle Ausnahme bei den Früchten sollen Blaubeeren (Heubeeren), Himbeeren und Brombeeren bilden. Deren antioxidative Eigenschaften sollen günstig wirken.
Unverarbeitete Lebensmittel bedeutet auch der Verzicht auf Brot und Teigwaren.
Da Übergewicht einen ungünstigen "sauren" Stoffwechsel begünstigt, ist ein einfacher Schritt zur Gewichtsreduktion die generell kohlenhydratarme Ernährung:
Ersatz von Kartoffeln, Reis und anderen stärkehaltigen Lebensmitteln durch Linsen, Bohnen, Kichererbsen in nicht zu grosser Menge ist für vegan lebende Menschen ideal.
Und auch der Verzicht auf Zucker, Honig und Süsses ist ein Erfolgsfaktor beim Abnehmen. Versuchen Sie, mit maximal zwei Teelöffeln Ahorn- Agaven- oder Kokosblütensirup über den Tag zu kommen, falls Sie gar nicht auf Süsses verzichten können.
Eiweiss und Fette (!) sind bei dieser Ernährung kein Tabu! Also schadet Käse, Butter, Rahm, gesundes Öl auf keinen Fall. Falls Sie nicht vegetarisch essen, sind Eier, Fisch und Fleisch, sogar "rotes" Fleisch kein Tabu.
Zuckerfreier Kakao (100%) ist übrigens noch gut für die Stimmung und Nüsse, besonders Baumnüsse (Walnüsse) können den Süsshunger beruhigen.
A propos Stimmung: Vitamin D ist nicht nur für die Knochen und das Immunsystem wichtig, es wirkt auch leicht antidepressiv.
Dr. Edgar Mestre, Dezember 2024
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Online-Artikel (FOCUS, 7.12.24)
Wissenschaftlicher Original-Artikel:
Fowle-Grider R, Rowles JL 3rd, Shen I, Wang Y, Schwaiger-Haber M, Dunham AJ, Jayachandran K, Inkman M, Zahner M, Naser FJ, Jackstadt MM, Spalding JL, Chiang S, McCommis KS, Dolle RE, Kramer ET, Zimmerman SM, Souroullas GP, Finck BN, Shriver LP, Kaufman CK, Schwarz JK, Zhang J, Patti GJ. Dietary fructose enhances tumour growth indirectly via interorgan lipid transfer. Nature. 2024 Dec 4. doi: 10.1038/s41586-024-08258-3. Epub ahead of print. PMID: 39633044.
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